Guy Tillim wurde 1962 in Johannesburg geboren und lebt in Vermaaklikheid am Westkap. Er begann 1986 mit dem professionellen Fotografieren und arbeitete bis 1990 mit dem Kollektiv Afrapix zusammen. Seine Arbeit als freiberuflicher Fotograf in Südafrika für die lokalen und ausländischen Medien umfasste Positionen bei Reuters zwischen 1986 und 1988 sowie bei Agence France Presse zwischen 1993 und 1994.
Tillim erhielt für seine Arbeit zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Prix SCAM (Societe Civile des Auteurs Multimedia) Roger Pic 2002, den Higashikawa Overseas Photographer Award (Japan) 2003, den DaimlerChrysler Award 2004 für südafrikanische Fotografie, den Leica Oskar Barnack Award 2005 und das erste Robert Gardner Fellowship in Photography vom Peabody Museum der Harvard University 2006. Er ist der Empfänger des HCB-Award 2017 der Fondation Henri Cartier-Bresson.
Guy Tillim präsentierte eine Überblicksausstellung mit dem Titel O Futuro Certo im Museum für Zeitgenössische Kunst in Rom (2017), weitere Einzelausstellungen fanden im Centre Photographique d‘Ile-de-France, Paris, statt; Huis Marseille Museum of Photography, Amsterdam; Fondation Henri Cartier-Bresson in Paris; Museu Serralves in Porto; das Peabody Museum an der Harvard University, Cambridge, USA; FOAM_Fotografiemuseum in Amsterdam; Extracity, Antwerpen; in der Kunsthalle Oldenburg, Deutschland, und dem Museum of Contemporary Photography in Chicago, unter anderem. Seine Arbeiten wurden 2007 auf der Documenta 12 und 2006 auf der Biennale von São Paulo sowie in den Wanderausstellungen Aufstieg und Fall der Apartheid gezeigt: Fotografie und die Bürokratie des Alltags (2012 - 14) und Africa Remix (2004 - 7), unter anderem.
Guy Tillims künstlerisches Werk umfasst Bilderserien politischer Krisenherde in Afrika, Porträts sowie urbane Arbeiten, die dem investigativen Reportagejournalismus nahe sind. Tillim arbeitet bevorzugt in Farbe, seine Bilder zeichnen sich durch zurückhaltende Helligkeitskontraste und eine elegische Bildkonstruktion aus. Seine Arbeiten werden international in Gruppen- und Einzelausstellungen weltweit gezeigt sowie in zahlreichen Büchern veröffentlicht.
Mit „Jo‘burg“ vollzog Guy Tillim Ende 2003 den Schritt von der journalistischen zur künstlerisch-dokumentarischen Fotografie. Zum Gegenstand einer ausführlichen visuellen Recherche statt einer punktuellen Markierung wählte er das Zentrum Johannesburg. Zwar hätte es genügend Stoff für die journalistische Praxis geboten. Doch Tillim wollte mehr; eine genaue Darstellung.
Also begann Tillim, sich eindringlicher mit den sozialen Verhältnissen der Innenstadt zu beschäftigen, wanderte immer wieder durch die Straßen, nahm die Häuser sorgfältiger in Augenschein, von außen und schließlich von innen, sprach mit ihren Bewohnern, lernte sie und ihre unterschiedlichen Geschichten kennen und erkannte, dass unter der Schicht der Verzweiflung ein ungeheurer Lebens- und Überlebenswille pulsierte, eine verschüttete Vitalität, die womöglich von den kommunalen Verantwortlichen nur ermuntert werden musste, um die Gegend zu neuer Blüte zu bringen. In jedem Fall gewann er einen erheblich differenzierteren und ambivalenteren Eindruck, als es ihm die ästhetischen Prämissen der Reportage erlaubt hätten.
Tillim eröffnet „Jo‘burg“ wie ein klassischer Spielfilm aus Hollywood mit einem Überblick über die Innenstadt von höherer Warte, gleichsam einem „Establishing Shot“. Aus der Ferne und von oben sieht die Szenerie aus wie nahezu jede Metropole. Indem sich von Bild zu Bild gleichsam der Fokus des fotografischen Autors auf die vielen Einzelheiten und eine Handvoll der Bewohner der Innenräume verengt, erweitert sich die Perspektive der Betrachter für die Dinge jenseits der Erscheinungen, die sich gleichwohl in ihnen offenbaren. Tatsächlich bedient er sich des subjektiven Kamerablicks. Aber nicht in dem Sinne, dass der Blick des Autors den Blick der Betrachter vorprägt. Vielmehr, als ob die Betrachter an dessen Stelle selber die ausgedehnten Erkundigungen vornähmen.