Duncan Swann
Das Andere sind wir
Duncan Swanns Malerei (*1969) zeigt den Menschen – im Porträt, die ganze Figur, in verkleinertem Maßstab in Reihung, angeordnet wie in einem Setzkasten. Dabei bedient er sich fotografischer Vorlagen, die nahezu unverändert auf der Leinwand erscheinen.
Bei der Auswahl seiner Personen spricht Swann von selection – Figuren werden ausgewählt auf Basis von Kriterien, die uns unbekannt sind und die, als zufälliges Moment eine Art von Macht ausübt, die jenseits unserer Kontrolle ist. Dann jedoch beginnt Swanns Spiel mit der Verunklärung des Offensichtlichen. Swann setzt Markierungen direkt auf die Gesichter und Körper, er bearbeitet den Raum, der seine Figuren umgibt, ergänzt fiktive Nummerierungen wie in einem Index, zuweilen isoliert er seine Protagonisten, indem er den umgebenden Raum gänzlich auflöst. Am Ende dieses Prozesses ist die menschliche Figur unserem direkten Blick entzogen, verborgen unter etwas, das manchmal als Maske, in anderen Fällen als in mehreren Schichten aufgebauter Schleier zu Tage tritt. Immer ablesbar hierbei: der Farbauftrag, der Pinselstrich, mal kräftig und dominant, mal lasierend und flächig.
Ausgehend von dieser objektiven Werkbeschreibung stellen sich eine Reihe von Fragen: welche Bedeutung hat das Abbild einer menschlichen Figur in den Arbeiten von Duncan Swann ? Ist es konkreter Stellvertreter oder allgemeine Referenz ? Ist es DER Mensch oder DAS Menschliche ?
Swanns Bilder zeigen Konstellationen, die zeitlos wirken, als hätte es sie schon immer gegeben, weshalb man sich erinnert fühlt. Doch an was ? Man sucht unweigerlich nach gespeicherten Erinnerungen, doch dann sind da diese Schleier, zarte Störungen, hinter die man blicken möchte.
Duncan Swanns Bilder sind keine Spiegel, in denen sich das Andere entdecken ließe. Es sind Tunnel – der Zeit, der Erinnerung, in denen wir uns selbst im Anderen erkennen können. Sind wir die Figur in diesem Index ? Welche Masken tragen wir, um uns vor dem Anderen zu schützen, oder verstecken wir uns vor uns selbst? Das Andere als Teil unserer Identität, so lässt sich das Spiel definieren, das uns Duncan Swann mittels seines Personals vorstellt. Wie passend, dass die Person, die dies beides in sich trägt, in ihrer ursprünglichen lateinischen Bedeutung die Maske des Schauspielers bedeutet.
Michael Buhrs
Leiter des Museums Villa Stuck, München
Fabian Treiber
Wann wird aus einer Form ein Ding, wann aus Farbe auf Leinwand Repräsentation? Abstraktion und Figuration – das sind die Pole zwischen denen sich Fabian Treibers neueste Arbeiten situieren. Das nachdrückliche Suchen und Finden figurativer Elemente in rein abstrakten Werken ergibt sich bei Treiber spielerisch. Nur konsequent erscheint da die Öffnung seiner Malerei hin zum beabsichtigten Figurativen und hin zu Genres wie Landschaft und Stillleben. Die neuesten Arbeiten fungieren als visuelle Argumente einer Haltung, die Mut beweist. Was einst befreiend wirkte – die Abstraktion in ihrer Aufrichtigkeit nicht mehr sein zu wollen, als das, was es ist – wurde für den Künstler mit der Zeit zum selbstgewählten Käfig, aus dem er nun bewusst ausbricht. Es sind die einfachen Dinge, die uns umgeben, welche in der Serie »common things« ihren Weg ins Bild erhalten, ein Tisch, eine Vase, ein Teppich, der die Szene bettet. Dennoch wirken diese neuen Malereien wie eine Herausforderung an die Betrachter, oder wie es Fabian Treiber formuliert: „There was always something disturbing“.
In seinen Arbeiten kippt und pulsiert es. Unter einem hellblauen Teppich scheinen Formen hindurch. Übermalte Erinnerungen, bildgewordene Gedanken vielleicht, die unter der Oberfläche liegen und die dennoch darauf hinweisen, dass dies eben kein Teppich an sich ist, sondern ein gemalter. Wichtig bleibt der gekonnte Einsatz des Materials, aus dem die Form, aus der ein Stil erwächst. Dies forderte bereits Willi Baumeister mit der „Priorität der künstlerischen Mittel vor Motiv und Form“. Mittels Schablonen und durch den Einsatz von Sprühfarbe auf Acryl- und Tuschebasis erweitert Fabian Treiber die Sehmöglichkeiten und dynamisiert den Bildraum über klassische Methoden des Farbauftrags hinaus. Der Ärmel eines Pullovers mutet textil an, wie ein grobmaschiges Gewebe. Der Effekt gilt allerdings weniger dem Realismus des Kleidungsstücks, als vielmehr der materiellen Substanz: Großzügig aufgetragene Farbe und gesprühter Acryllack führen uns die Illusion eines Stoffes vor Augen.
Die Möglichkeiten den Blick zu schärfen und aufmerksam zu sehen potenzieren sich gerade im Zusammenspiel abstrakter und gegenständlicher Bildelemente. Sie machen die Eigenart der Bildwelten Fabian Treibers aus. Narrative Elemente scheinen nicht nur im singulären Bild auf, auch zwischen den Arbeiten gibt es Bezüge, die durch den künstlerischen Prozess motiviert sind. Einzelne Formen kehren wieder und bedienen so das wiedererkennende Sehen. Was eben noch Vase war, taucht – dem Kontext enthoben – im nächsten Bild als Form auf, deren Funktion sich rein bildimmanent erschließt. Teilweise wird mit noch nassen Farben Leinwand auf Leinwand abgedruckt. Positiv und Negativ werden dabei gleichberechtigt behandelt, beiden Tatsachen wird nachgegangen. Fabian Treiber erforscht in seinen Bildern den Raum, in den wir blicken und lädt dabei auf ganz eigene Weise zu immer neuen Entdeckungen im Dazwischen ein, zwischen Figuration und Abstraktion, zwischen Eindeutigkeit und Rätselhaftigkeit.
Marie Luise Zielonka, Kunstwissenschaftlerin, Stuttgart 2017