Esther Stocker
Die Künstlerin Esther Stocker (Jahrgang 1974, Schlanders, Italien) generiert in ihren Installationen sinnlich wahrnehmbare Räume, in denen Raumkoordinaten aufgehoben zu sein scheinen. Die Aufbrechung exakter Formen ist Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Umsetzung.
Die auf Schwarz, Weiß und Grau sowie auf Gitterstrukturen basierenden Bilder, Wandmalereien und Rauminstallationen weisen Verschränkungen, Vernetzungen und Durchdringungen formaler und semantischer Art auf, für die nicht zuletzt das variabel eingesetzte Rastermotiv ein metaphorisches Logo bildet. Die Künstlerin selbst empfindet sich als Malerin. Doch ist es Esther Stocker mit ihrer mathematisch und strukturiert geprägten Kunstsprache gelungen, aus dem zweidimensionalen Bild herauszutreten und den Dialog mit Architekturen und Objekten aufzunehmen. Konsequent bricht Stocker damit eindimensionale Ordnungs-, Raum- und Malereivorstellungen auf. Für den Kunstverein entwirft die Künstlerin vor Ort eine Rauminstallation aus geometrischen Formen mit schwarz-weißen Kontrasten,in die auch Bilder integriert werden. Als Vorentwurf diente der Künstlerin eine Zeichnung des Ausstellungsraumes, in der sie die architektonische Charakteristik der schlauchartigen Länge des Kunstvereinsraumes herausarbeitete. Indem sie daraufhin an die Wände und Decken des Kunstvereins sorgfältig schwarzes Klebeband in Form von Linien und Gittern anbringt, überzieht sie den Ausstellungsraum mit einem Raster, das in seiner Sensibilität eine machtvolle visuelle Wirkung erzielt. Die Regelmäßigkeit des Rasters konfrontiert die Künstlerin mit eingefügten Unterbrechungen und dekonstruktiven Formen, so dass der Betrachter sich den Überraschungsmomenten und optischen Zweifeln ausgesetzt sieht. Die mit Absicht herbeigeführten Brüche stören zwar den regelmäßigen Rhythmus des Oberflächenrasters, beleben es aber durch den erzielten Destabilisierungsmoment. Die rhythmische Abfolge der Gitterstrukturen erzeugt mit den künstlerisch bearbeiteten Dissonanzen im Raum eine Musikalität, die sich der menschliche Körper kaum entziehen kann und sich vielmehr einfügt in die Dynamik des Rasters. So entwickeln Esther Stockers Arbeiten ein Eigenleben. Auch ihre jüngeren skulpturalen Werke, die wie „zerknüllte“ Papiere wirken, weisen jene Gitterstrukturen und Oberflächenraster auf, die sie bereits in ihren Bildern künstlerisch bearbeitet hat. Doch sind die Objekte nicht durch Dekonstruktionen und Destabilisierungen verfremdet, sondern erfahren allein durch Deformationen eine rhythmische Dynamik. Gerade die optischen Täuschungen und eingesetzten Brüche laden den Betrachter dazu ein, seine eigene menschliche Perspektive im Raum und weiterführend in der Gesellschaft zu hinterfragen. Der Verlust resp. die In-Frage-Stellung der möglichen Kontrolle hinterlässt beim Betrachter einen Eindruck der Machtlosigkeit zwischen Realität und Illusion.
Dr. Andrea Wolter-Abele
Flüchtige Raumgrenzen
Abbildungen der Werke und Installationen von Esther Stocker mit freundlicher Genehmigung der Galerie Krobath.