Faszination Holzschnitt heute – Werke aus der Sammlung Kreissparkasse

Die Kreissparkasse Ludwigsburg begann in den 1920er Jahren, Kunstwerke für die eigenen Räumlichkeiten zu erwerben, um seit den späteren 1970er Jahren gezielt eine Sammlung anzulegen und dergestalt auch die Baden-Württembergische Kunstszene zu fördern. Mittlerweile umfasst die Gemäldesammlung rund 450 Werke – von Adolf Hölzel und Gustav Schönleber über deren Schüler Willi Baumeister und Walter Strich-Chapell bis hin zu Ben Willikens und Otto Herbert Hajek. Hinzu kommen rund 150 Holzschnitte, die seit 1991 aus den mit insgesamt 10.000 Euro dotierten Wettbewerben Holzschnitt heute der Stiftung Kunst, Kultur und Bildung erworben wurden – mit diesen Preisgeldern und den Ankäufen unterstreicht die Kreissparkasse ihr gesellschaftlich-kulturelles Engagement in der Region.

Nachdem der Kunstverein 2015 eine Auswahl aus der Gemäldesammlung der Kreissparkasse zeigen konnte, gibt die jetzige Ausstellung Faszination Holzschnitt heute einen Einblick in die hochkarätige Sammlung an Holzschnitten von 1991 bis 2016. Die Auswahl umfasst hauptsächlich die Preisträger*innen der neun Wettbewerbe, die von meist fünf Jurymitgliedern (2005 bis 2012 waren es nur vier) gewählt wurden, darunter mindestens einem hauseigenen Juror der Kreissparkasse, da die Siegerwerke und auch weitere Arbeiten für die eigene Sammlung angekauft wurden. Der Wettbewerb fand in den 25 Jahren meist alle drei, mal auch nach zwei, und zuletzt nach vier Jahren statt und zählt insgesamt 32 Preisträger*innen, da vier Mal der dritte Preis und zwei Mal auch der zweite doppelt vergeben wurden. Bei sieben von neun Wettbewerben wurde der erste Preis einer Künstlerin zugesprochen, 2005 gab es sogar ausschließlich Preisträgerinnen. Von den insgesamt wiederum nur 13 ausgezeichneten Künstlerinnen, wurde Doris Hoppe doppelt prämiert: Sie erhielt einen dritten und einen zweiten Preis in aufeinander folgenden Wettbewerben. Der jüngste Preisträger war erst 26, der arrivierteste zum Zeitpunkt der Prämierung bereits 72 Jahre alt. Fünf Auszeichnungen gingen an nicht-deutsche Künstler*innen. Soweit ein Überblick und einige Fakten zu den neun Wettbewerben Holzschnitt heute, an denen jeweils zwischen 229 und 403 Künstler*innen aus 14 bis 28 Nationen teilnahmen. Diese Resonanz belegt, dass der Holzschnitt als die älteste druckgrafische Technik in der heutigen Welt der schnellen Bilder keineswegs an Attraktivität verloren hat.

Der Holzschnitt ist eine stark handwerklich ausgerichtete künstlerische Technik – viele Künstler*innen arbeiten mit bis zu 20 verschiedenen Messern, vom feinen Stech- bis zum groben Stemmeisen. Die Bearbeitung bedarf je nach Holzart Präzision und Krafteinsatz: von der faserigen Kiefer mit starker Struktur bis zur kaum gemaserten Pappel, von der extrem harten Eiche bis zur sehr weichen Linde. Die einen bevorzugen das Langholz, die andern das Stirnholz, also mit oder quer zur Wuchsrichtung geschnittenes Holz. Von Fundhölzern bis zu Bauverschalbrettern finden alle Holzarten ihre Liebhaber und ihren
Einsatz. Beim Drucken per Hand oder Presse wird das Motiv spiegelverkehrt erscheinen, was beim Schneiden – etwa bei Schrift – bedacht werden muss. Alles Abgegrabene bleibt hell, nur die stehengebliebenen Flächen und Stege werden eingewalzt und abgedruckt – daher die Bezeichnung Hochdrucktechnik. Je nachdem, wie stabil der Druckstock und wie filigran das Motiv geschnitten wurde, lässt sich eine recht hohe Auflage drucken, doch entstehen auch oft aufwändige Unikate, etwa wenn viele Platten und Farben kombiniert werden. Seit dem 20. Jahrhundert bleibt der gesamte Prozess, also von der Bildidee bis zum fertigen Druck, gemeinhin in einer Hand, während vormals der Künstler seine Zeichnung von einem Reißer ins Holz übertragen ließ und der Drucker für die präzise Umsetzung auf Papier sorgte. Der Holzschnitt wurde bereits von Albrecht Dürer mit Perfektion und Hingabe eingesetzt. Die Tradition des modernen Holzschnitts hat ihren Beginn um 1900, als Edvard Munch die Technik wieder belebte und darauf die Brücke-Künstler den Holzschnitt ‚neu entdeckten‘. Die Struktur und Maserung der Hölzer wurde bewusst einbezogen, der Stock häufig auseinandergesägt und puzzleartig wieder zusammengefügt. Flächig, grob und archaisch gingen die jungen Expressionisten ans Werk – von Ernst Ludwig Kirchner, der von 1903 bis zu seinem frühen Tod 1938 kontinuierlich Holzschnitte schuf, ist der Satz überliefert: „Nirgends lernt man einen Künstler besser kennen, als in seiner Grafik.“ Auch die Expressionisten des Blauen Reiters entdeckten die Technik für sich, bevorzugten aber glatte Flächen, organische Formen und fließende Konturlinien, wie es zuvor schon Felix Valloton oder Paul Gauguiumgesetzt hatten, die wiederum vom japanischen Holzschnitt inspiriert gewesen waren. In den 1920er Jahren nutzten dann Käthe Kollwitz, Otto Dix und Max Beckmann die druckgrafischen Techniken, um ihre Kriegserlebnisse in Bilder zu bannen, meist in starkem Schwarz-Weiß-Kontrast. Nach dem Zweiten Weltkrieg rang allen voran HAP Grieshaber mit unbändiger Konsequenz der Technik neue Qualitäten ab – mit seinen teils lebensgroßen Holzschnitten trat er bereits auf den ersten drei documenta-Ausstellungen hervor. Doch erst in den 1980er Jahren ist eine neuerliche Renaissance des Hochdrucks zu verzeichnen, als die „Neuen Wilden“ wie Georg Baselitz und Jörg Immendorf stark farbige und oftmals großformatige Holzschnitte schufen.

Seither hat der Hochdruck kaum an Aktualität, Beliebtheit und Faszination eingebüßt, wovon der Ludwigsburger Wettbewerb Holzschnitt heute beredtes Zeugnis ablegt. Der Kreis Ludwigsburg wurde seinerzeit geradezu das Mekka für alle Hochdruckliebhaber, denn 1989 war bereits in Bietigheim-Bissingen der Grafikpreis Linolschnitt heute ausgelobt worden, der seither alle drei Jahre stattfindet und stets 500 Teilnehmer aus aller Welt verzeichnen kann. Beide Wettbewerbe fördersowohl zeitgenössische Kunstschaffende, die sich dem Hochdruck intensiv verschrieben haben, als auch jene, die diese traditionsreiche Technik neu für sich entdecken.

Die enorme künstlerische Bandbreite zeigt sich denn auch an den nun ausgestellten Werken: Sie reicht von monochromen und abstrakten Werken wie etwa von Martina Geist, der 1. Preisträgerin 1991, bis hin zu poppig farbigen und gegenständlichen Motiven eines Philipp Mager, der beim letzten Wettbewerb 2016 den 2. Preis gewann. Streng geometrische, kleinformatige Farbholzschnitte wie von Benjamin Badock, der einst auch Architektur studierte, wurden ebenso honoriert wie die detailreiche, großformatige Schwarz-Weiß-Szenerie von Gabriela Jolowitz – einem überbordenden Wimmelbild des modernen Lifestyles. Der Altmeister Horst Bartning komponiert so streng wie überzeugend 72 Unterbrechungen und 72 Striche in 3 Farben, während die damals ganz junge Künstlerin Almut Determeyer Messer, Gabel, Teller symbolhaft mit opaker Farbigkeit darstellt. Dünnes, lichtdurchlässiges Papier und zugleich malerische Intensität kennzeichnet die Holzschnitte Uta Zaumseils, reduzierte Linearität die unverwechselbaren Drucke des Grandsigneurs Cees Andriessen, der eine Fülle der Leere zelebriert – nicht zu vergessen, dass für diesen Druckstock das meiste Holz abgetragen werden musste! Diesem Schwarzlinienschnitt stet der Weißlinienschnitt von Wolfgang Folmer gegenüber, dessen tiefschwarzes Blatt ganz dünne, akkurate Linien durchziehen, welche die krude Materialität des Holzes geradezu vergessen lassen. Expressiv in Schnitt wie Thema ist Die Nacht der Hunde von Aguirre Belgrano, zurückhaltend wirkt hingegen der zarte Holzschnitt mit fast geisterhafter Figur von Petra Hilser. Das Spektrum des zeitgenössischen Holzschnitts ist bestechend variantenreich und schier unerschöpflich und eben das macht sie aus – die Faszination Holzschnitt!

Dr. Petra Lanfermann