Elke Zemelka

1960 Geboren in Ludwigsburg, Deutschland
1963 bis 1967 Aufenthalt in Indien
1970 bis 1978 Leben in Mexico City
1978 bis 1982 Grafik Design Johannes Gutenbergschule Stuttgart
Ab 1982 Tätigkeit als freie Grafikerin für verschiedene Institutionen in Mexiko City,
überwiegend in der Illustration
Seit 1986 zunehmend Konzentration auf die Malerei, Teilnahme an Workshops
namhafter mexikanischer Künstler
Ab 1991 Kollektiv- und Einzelausstellungen in Mexiko und USA
Seit 2012 Freie Künstlerin in Stuttgart

Einführung von Marcus Kettel zu Elke Zemelkas Ausstellungseröffnung „Transfigurationen“ im Kunstverein Ludwigsburg am 19.07.2018 (Ausschnitt)

ZWEI KULTUREN

Sowohl in geographischer, als auch in soziokultureller Hinsicht, bildet ihr nahezu periodisches „hin und her-pendeln“ über drei Jahrzehnte zwischen den unterschiedlichen Lebensrealitäten in Mexiko und Deutschland, mit all deren spezifischen Einflussfaktoren, den kontextuellen Rahmen für die intensive, künstlerische Auseinandersetzung Zemelkas, innerhalb ihrer einzelnen Lebensabschnitte: 1960 in Ludwigsburg geboren, in den 70er Jahren fast 10 Jahre in Mexiko lebend, absolvierte sie zuerst eine Ausbildung zur Graphikdesignerin an der Stuttgarter Gutenbergschule, um ihr Know-how sodann in Illustration ab 1982 in verschieden Institutionen beruflich anzuwenden. Seit 1986 konzentriert sie sich dabei intensiv auf die Malerei, nimmt an zahlreichen Workshops bekannter mexikanischer Künstler teil und hat seit 1991 etliche Einzel- und Gruppenausstellungen, welche in Mexiko und den USA ihren Anfang nahmen. 2012 verlegte sie ihren Hauptwohnsitz nach Stuttgart und arbeitet seitdem hier als Freie Künstlerin.

STILISTISCHE ENTWICKLUNG UND INHALTLICHER FOKUS

Unter stilistischen Gesichtspunkten, durchlief sie mit ihrer Malerei dabei in den letzten Jahren mehrere Phasen, wobei anfangs eher figurative Einflüsse der prähispanischen Archaik, den sogenannten „Culturas archaicas“, im Kontrast zu kubistischen, surrealis-tischen oder gar suprematistischen Einflüssen der europäischen Kunstgeschichts-entwicklung in Erscheinung traten.
Im Laufe der Zeit, reduzierte sie dann nach und nach die Bildinhalte und fokussierte sich auf Darstellungen von Körperteilen und deren ausschnitthaften Vergrößerungen, als wolle die Künstlerin damit nicht nur einzelne Lebensabschnitte genauer unter die Lupe nehmen, sondern auch durch den Malprozess selbst, etappenweise immer tiefer in ihr eigenes Seelenleben vordringen.

So trägt die Vorgängerserie zu dieser Ausstellung den bezeichnenden Titel „Introspektionen“, was sowohl einer reflexiven „Innenschau“ oder „Selbstbeobachtung“ nahe kommt, als auch als eine Art erste Zwischenbilanz ihres künstlerischen Wirkens seit ihrer Rückkehr nach Deutschland angesehen werden kann. Darin offenbar sie uns, mittels fragmentierter Körperdarstellung, sowohl eine psychologische, als auch poetisch-konzeptuelle Reflexion aus dem Spektrum ihrer zurückliegenden Lebensphase.

In ihrer aktuellen Salon-Ausstellung hier im Kunstverein Ludwigsburg mit dem mehrdeutigen Titel „Transfigurationen“, eröffnet uns die Künstlerin mittels ihrer ganz spezifischen künstlerischen und kulturellen „Identitätssuche“ eine weitere Dimension. Wenn man den Ausstellungstitel unter dem angloamerikanischen Sprachgebrauch „transfigurations“ liest, was übersetzt soviel wie „Verklärung“ bedeutet, wird dem Betrachter in den Werken Zemelkas, die Erweiterung in die spirituelle Sphäre, besonders bewusst.

Inspiriert ist die Künstlerin von der zeitgenössischen englischen, figurativen Malerei eines Lucian Freud, eines Francis Bacon oder einer Jenny Saville; ebenso aber auch von Arbeiten des mexikanischen Malers Francisco Toledo oder der teilweise fragmentierten, figurativen Skulpturen eines Thoma Schüttet. Elke Zemelkas Körperdarstellungen wirken im Gegensatz zu oben erwähnten Körperkonzepten jedoch eher wie Zeichen, wobei es der Künstlerin immerfort um die Steigerung von Plastizität bei gleichbleibender Erzeugung von Fragilität, geht. Dies erreicht sie mittels schichtweisem Farbaufträgen mit unterschiedlichen Verdünnungen.

In einer allumfassenden Beschreibung bzgl. der Bildkomposition könnte man festhalten, dass in den organisch-amorphen Darstellungsformen ihr Drang hin zu Körperfragmenten mit einer stetig transparenter werdenden Oberflächenhaut augenscheinlich wird, was als eine reflexive Verarbeitung von persönlichen Wandlungs- und Entwicklungsphasen gedeutet werden kann.
Der geometrische Kontext, der die Körperausschnitte flankiert oder umrahmt, besteht dabei zumeist aus unterschiedlichen, monochromen Farbkompositionen, welche sich durch eine Formensprache manifestieren, die fast an cinematographische Ausschnitte erinnert, aber zum Teil auch nur Begrenzungsmerkmale wie Ebenen, Schichten, Flächen und Schrägen andeuten.
Die künstlerischen Verarbeitungsprozesse von Elke Zemelka, bewegen sich dabei im Spannungsfeld von ereignishaften, kurzzeitigen Gedankensplittern, bis hin zu Reflexionen größerer Zeitperioden.

EXPONATE

Innerhalb der Gesamtpräsentation, der für diese Ausstellung ausgewählten Arbeiten, möchte ich zuallererst auf ein zentrales Werk der Künstlerin, mit dem Titel „Zuneigung“ hinweisen. Dieses Bild kann in der aktuellen Schaffensperiode Zemelkas, sowohl als Übergang zwischen den beiden vorne erwähnten Serien stehen, vereint darüber hinausgehend aber auch sehr viele elementare Aspekte aus ihrem gesamten Arbeitsspektrum. Das Motiv zeigt in symmetrischer Form die geometrische Teilung einer gesichtslosen Person ohne Augen, Mund und Haare. Einer Pathosformel gleich, könnte dies auf die ambivalente Problematik eines Zustandes des „Zerrissen-Seins“ zwischen dem Herkunftsort einerseits, als auch bzgl. des Zufluchtsortes andererseits, hindeuten.

In den weiteren Bildarrangements, sehen Sie Arbeiten aus Zemelkas aktuellem Werk-Spektrum, teils in Acryl auf Leinwand, teils in Tusche auf Papier ausgeführt. Ich möchte hier vor allem kurz auf die unterschiedlichen Formate eingehen und danach mit der Betonung auf ein paar inhaltlichen Besonderheiten fortfahren. Sie sehen links mittig von mir aus gesehen die „Fragmentos“, eine in Dialog gesetzte Zweierserie aus dem Jahre 2016.

Gegenüber dann eine 4er-Reihe, in welcher extrem vergrößerte Ausschnitte voluminöser, jedoch sehr transparenten Körperteile zu sehen sind, die sich in den einzelnen Bildern gar zart zu berühren scheinen, somit Zwischenräume und Spalten andeuten, die fast wie Falten eines gemeinsamen Körpers wirken.

Die Klammer dieser gesamten Präsentation im wunderbar dafür geeigneten Salon des Ludwigsburger Kunstvereins – mit seiner besonderen Patina und ereignisreichen Geschichte – bilden jedoch die aktuellen Dyptichen und Tryptichen, welche allesamt den Ausstellungstitel „Transfigurationen“ tragen.

Stilistisch, ist gerade in diesen Werken eine gestalterische Weiterentwicklung unverkennbar, was besonders in den großformatigen Einzelwerken an der gegenüberliegenden Stirnseite – mittels mehrerer, sich überschneidender Bildsequenzen – zum Vorschein kommt und Zemelkas permanentes Streben nach einer zunehmenden Verdichtung von Raum und Zeit unterstreicht.
So sehen Sie hier in dieser beindruckenden Ausstellung, eine aktuellste Bestandsaufnahme innerhalb eines groß angelegten Entwicklungsspielraumes.

Marcus Kettel